Poker In Deutschland; eine Bestandsaufnahme

Veröffentlicht auf von AK

Poker in Deutschland;  eine Bestandsaufnahme

(aus einem meiner Artikel der aktuellen Ausgabe des RoyalFlush Magazins link )


Vorgeschichte:
In der ersten Ausgabe des Royal Flush-Magazins, im Dezember letzten Jahres, haben wir bereits eine Bestandsaufnahme der Situation in Sachen Poker in Deutschland veröffentlicht (RF Ausgabe 01/2008 Seiten 41-43). 

In der Zwischenzeit gibt es Entwicklungen und Urteile, die nach einer Nachbetrachtung verlangen.

Aktuell:
Mittlerweile zu einer nennenswerten Dimension herangewachsen, macht die von offizieller Seite in eine Grauzone verdammte Szene, eine Achterbahn der Informationen und insbesondere der Gefühle durch. 
Während in den Deutschsprachigen Nachbarländern eine gewisse Lockerung stattfindet, führen einzelne Gerichtsentscheidungen und neuerliche Erlasse zu einer steigenden Nervosität und Unsicherheit innerhalb der Sachpreisturnierveranstalter in Deutschland.

Österreich:
In Österreich, in der nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts die gängigste Variante „No Limit Holdem“ als Glückspiel deklariert wurde, kümmert es Niemanden. Der Vorreiter, das Concord Card Casino und in Person der „grauen Eminenz“ Peter Zanonis, fegen regelmäßig und seit nunmehr etlichen Jahren sämtliche Bescheide und Restriktionen vom Tisch. Das Concord expandierte letztes Jahr zudem nach Innsbruck (Franchise aber doch) und Salzburg und plant mit weiteren Standorten, unter Anderem aktuelle mit Bregenz. Etliche kleine Card Rooms, die wie Pilze aus dem Boden sprießen, bieten Turniere und Cash Games auf täglicher Basis und flächendeckend an. Grosse Turniere und Serien mit exorbitant hohen Ausspielungen von Preisgeldern sind an der Tagesordnung.

Schweiz:
In der Schweiz wurde bereits vor Monaten der private Markt für Turniere geöffnet. Zwar ist es hier auch nur eine Zwischenlösung, da die örtlichen Spielbanken weiter dagegen vorgehen werden. Allerdings hat sich bereits ein Markt gebildet, der mit professionellen Strukturen und massiver Unterstützung der Online Casinos, die eine Chance witterten und gefunden haben, die Szenerie aufblühen lässt.
In der Regel reichen bereits ein Antrag bei der Eidgenössischen Spielbankenkommission (ESBK) und kleinere Auflagen, um hier als Veranstalter tätig zu werden. Interessant aber der Hauptpunkt für die Erteilung der Bewilligung: Entscheidend ist, dass der Ausgang des Turniers überwiegend vom Können und nicht vom Glück abhängig ist. Das heißt, dass die Blinds im Vergleich zur Startdotation der Chips gering sein und nur langsam ansteigen dürfen! Zudem werden die Strukturen auch vor Ort noch einmal überprüft. Wenn also eine bereits genehmigte Struktur an Aktualität verliert, weil z.B. weniger Teilnehmer mit machen, dann muss und wird die Struktur individuell und ausschließlich zu Gunsten der Spieler „gestreckt“! Ein Paradies für jeden ambitionierten Spieler.

Deutschland
In Deutschland hat sich nach den positiven Urteilen des AG Fürstenfeldbruck (Urt. v. 29.08.2007 /Az.: 3Cs 33 Js 6775/07) und Baden-Baden viel getan. 
Es gibt mittlerweile neuere Urteile, die jegliche Art des Sachpreisturniers als illegales Glückspiel definieren. Hierbei spielen die obligatorische Kostenaufstellung, ein Buy-in von maximal 15.-€ und sonstige, von Fürstenfeldbruck als Beispiel für die „Legalität“ der Sachpreisturniere als Voraussetzung definierten Auflagen keine Rolle mehr…

Zwei aktuelle Urteile stechen hervor, beide konträrer zueinander, als dass es der gesunde Menschenverstand nachvollziehen könnte.
Verwaltungsgericht (VG) Münster:
Münster, Anfang April 2008: Az.: 9 L 13/08 (nicht rechtskräftig):

Hier entschied das VG, dass Pokerturniere außerhalb der legitimierten Spielbanken ohne Ausnahmen unter „illegalem Glückspiel“ zu subsumieren sind.
Das Gericht entschied per Eilbeschluss, dass die gegen die Untersagung gerichtete Klage des Veranstalters keine Aussicht auf Erfolg hätte. Das Entgelt und verschiedene Bezeichnung dessen, sowie gesponserte Preise und das Spiel an sich, das eben nur vom Glücksfaktor abhängig sei, ließen keine andere Wahl, als die Veranstaltung zu verbieten.
Das Argument des Turnierveranstalters, ersatzweise den Event als Charity-Turnier durchzuführen, ließen die Richter auch nicht zu: Dieses sei in dem Gesamtkonzept des Veranstalters zu erkennen, der über Punkte- und Ranglisten eben auch hierbei einen Nutzen habe. Denn er würde eine Veranstaltung dieser Art missbrauchen, als Werbeträger für seine weiteren, endgeltpflichtigen Turniere, die wiederum ihren Abschluss in Preisen finden, die einen erhebliche wirtschaftlichen Wert darstellen (z.B. ein Auto).
Somit würden die unentgeltlichen Turniere (auch Charity Turniere) für illegale Turniere (mit Einsatz) innerhalb eines „geschlossenen Systems“ missbraucht, was deren Illegalität begründe.

Landgericht Hamburg (Az.:620 Qs 7/08)
Mittels einer Razzia auf der Basis eines richterlichen Beschlusses haben Hamburgs Behörden während eines Sachpreisturniers, sämtliches Spielmaterial beschlagnahmt und die Veranstaltung aufgelöst. 

Bei dem Verfahren vor dem Landgericht kommen die Richter zum ersten Mal in Deutschland tatsächlich ihrer Aufgabe gründlich nach. Und beschäftigen sich, ähnlich wie das Beispiel in der Schweiz, mit „Turnier spielen“. Hierbei zeigt sich das Gericht von der Argumentation des Beklagten und dessen Darstellungen, hinsichtlich der Einordnung von Pokerturnieren in den Bereich „Geschicklichkeitsspiel“ beeindruckt. Das Gericht stellt fest, dass es zumindest zu bezweifeln sei, ob Turniere tatsächlich und pauschal als Glückspiele definiert werden können. Zudem kritisiert das Gericht indirekt andere Entscheidungen, die sich mit der Materie „Pokerturniere“ und dessen Klassifizierung kaum befasst haben und pauschal von Glücksspiel und Illegalität ausgegangen sind.

Die Betroffenen
Man kann sich gut vorstellen, wie es einem Unternehmer gehen muss, der fast wöchentlich von Gerüchten Interpretation und umso trauriger: Von falschen Interpretationen und Auslegungen der Urteile gebeutelt wird. Für einen seriösen Turnierveranstalter müsste der Zweifel am Rechtsstaat bereits zur Tagesordnung gehören.
Hier gibt es diejenigen, die kleine Umsätze fahren und sich gegen Erlasse der Behörden (aufgrund der negativen Urteile wie beschrieben) nicht wehren. Entmutigt geben sie auf oder versuchen verzweifelt sich größeren, nicht unbedingt seriöseren Anbietern anzuschließen.
Die Großen wiederum, vertreten von namhaften Kanzleien, kümmern solche Urteile wenig. Es wird regelmäßig widersprochen oder berufen. Teilweise machen die Rechtsvertretungskosten die Hälfte der Betriebsausgaben aus. Und nicht erstaunlich, dass den Lizenznehmern zum Teil eine Hotline zur Verfügung gestellt wird: Eine Nummer also, die bei Problemen vor Ort, mit Ordnungsamt und Polizei, angerufen werden kann. Ein Mitarbeiter der beauftragten Sozietät ist immer erreichbar und für die jeweiligen Beamten am Telefon verfügbar um negative Auswirkungen direkt zu unterbinden.


Die Urteile und der Europäischen Gerichtshof (EUGH)
Die meisten Urteile sind noch in der ersten Instanz. Mindestens drei Verfahren sind noch anhängig bei Oberverwaltungsgerichtshöfen (zweite Instanz). Allerdings kann jedes Gericht von vorne herein entscheiden, dass eine Konfliktlage zum Europarecht besteht und somit zum Europäischen Gerichtshof (EUGH) zur Vorab Entscheidung verweisen. 
Doch hier liegt bislang kein Verfahren zur Entscheidung an. Selbst die aus dem neuen Lotterie- und Staatsvertrag stark betroffenen Fälle von BWin und Lotto-Faber sind zurzeit nicht beim EUGH anhängig.

Resumé:
Der erste Schritt ist getan: Zum ersten Mal zweifeln Richter eines Deutschen Gerichts daran, dass dem Terminus „Pokerturniere“ ausreichend Beachtung geschenkt wurde und den Entscheidungen zuvor gute Recherchen zugrunde liegen.
Es bleibt die Hoffnung, dass andere Gerichte nachziehen. Die strafrechtliche Relevanz könnte somit nach Schweizer Muster gelöst sein. Oder vielleicht in Österreichischer Manier: „in dubio pro reo“, wenn nicht sicher ist, ob der Ausgang des Spiels beim Pokern generell überwiegend von Glück oder Fähigkeiten abhängt.
Wobei die verwaltungsrechtliche Relevanz noch bliebe: Art und Höhe der Einnahmen, sonstige Auflagen und Restriktionen.

Für die Veranstalter gilt es Ruhe zu bewahren und sich nach Möglichkeit zu wehren. Wer sich aus finanziellen Gründen nicht wehren kann, was ja ein Grundrecht in einer Demokratie sein sollte, dem bleibt nur die Hoffnung auf die Durchsetzungskraft der großen Veranstalter und ihrer Armada an Rechtsanwälten. 
Erste Zusammenschlüsse, Unterschriftsaktionen und Petitionsentwürfe geistern durch das virtuelle und anonyme world wide web. Ob dies Sinn macht, in einer Branche in der überdurchschnittlicher Egoismus und Eigennutz zu den Eigenschaften von herausragenden Gewinnern gehören? Die Zukunft wird es zeigen…

Stand: Ende April 2008

AK

 


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